Weicheier auf dem Vormarsch

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Weicheier auf dem Vormarsch



Überwachung nimmt nicht nur in der Politik, sondern auch in Konzernen überhand. Die Folge ist eine Umverteilung von fleißig zu faul.

Eine leider nicht untypische Situation aus der deutschen Wirtschaft: Ein leitender Vertriebsmitarbeiter lädt Kunden zum Squadfahren mit anschließender Party auf seinen Landsitz ein. Ein Arbeitskollege meldet das anonym auf der konzerneigenen Whistleblower-Seite. Die Verhaltensabteilung des Konzerns verfasst daraufhin einen 105 Seiten langen Bericht. Ergebnis: Das lebensfrohe Verkaufstalent verliert seinen Job. Ein bisher unauffälliger Vertriebsmitarbeiter mit Kleidung gemäß Dresscode, einwandfreier Meeting-Kultur und guten Referenzen bei der Erstellung von Arbeitsberichten nimmt seinen Platz ein.

Die Leistungsträger sehen bedrückt zu und fragen sich, warum immer öfter die Falschen Karriere machen. Die Braven, die Jasager, die möglichst keine eigenen Entscheidungen treffen, um keine Verantwortung zu übernehmen. Und warum sie selbst, die eigentlich die Arbeit machen, oft übergangen werden. Womöglich, denken sie, bilden sie sich das aber auch nur ein.

Tun sie nicht. Das leistungs- und erfolgsorientierte Klima, das noch in den 80er- und 90er-Jahren in der Wirtschaft herrschte, ist gekippt. Seit der Terrorattacke vom 11. September 2001 dominiert die Angst. Ausgehend vom Amerika unter George W. Bush entstand ein Klima der Verunsicherung und daraus folgend der Regulierungen und Kontrollen.

Die westlichen Staaten verwandelten sich mit ihren wuchernden Gesetzen in Kontrollstaaten, und aus den großen Konzernen wurden Kontrollkonzerne mit Wälzern voller Regeln. Es entstand ein System, in dem nicht Mitarbeiter gut sind, die Leistung bringen, sondern jene, die brav alle Regeln einhalten.

Mit dem Aufstieg der Weicheier findet eine neue Form von Umverteilung statt. Es ist keine von reich zu arm, sondern von fleißig zu faul. Wovon niemand profitiert. Die Leistungsträger erlahmen, weil das Kontrollsystem sie bremst, während es Weicheier fördert, die die Wirtschaft nicht voranbringen.

Es ist evident, dass es nach wie vor Leistungsträger trotz Weicheikultur ganz nach oben schaffen. Es gibt allerdings ein paar Dinge, die sie anders machen als der Durchschnitt. Zum Beispiel leisten sie Widerstand gegen das Kontrollsystem.

Das tun sie nicht, indem sie mit Transparenten auf die Straße gehen. Sie leisten Widerstand im Kopf. Während sich die Weicheier beim Befolgen von Regeln das selbstständige Denken allmählich abgewöhnen, kultivieren sie es. Sie entwickeln ihre eigenen Visionen, ziehen die Konsequenzen aus ihren eigenen Überlegungen und bringen den Mut auf, danach zu handeln. Sie analysieren das System und benutzen es für ihre Zwecke, statt sich von ihm benutzen zu lassen.

Die besten Chancen haben Leistungsträger, wenn sie ihre eigenen Unternehmen gründen. Doch es gibt noch immer viele innovative Unternehmen, in denen sie gut aufgehoben sind. Die sind meist von ihren Eigentümern geführt, haben Visionen, wachsen stark und ersticken nicht in unnützem Regelwerk. Auch wenn das Kontrollsystem der gesamten Wirtschaft immer mehr Steine in den Weg legt, der Unternehmergeist lässt sich nicht so schnell zerstören. Für solche Unternehmen zu arbeiten bringt noch Spaß und Sinn, und die Aussichten, Karriere zu machen, sind dort für Leistungsträger deutlich besser als in anonymen Konzernen.

Zumindest eine letzte Chance kommt für Leistungsträger immer – auch in Konzernen: Wenn die Weicheier ein Unternehmen heruntergewirtschaftet haben, sind sie selbst abgemeldet. Weil dann mit Kompromissen und stupider Befolgung von Regeln nichts mehr auszurichten ist. Dann sind Dresscode, Meeting-Kultur und Referenzen bei der Erstellung von Arbeitsberichten nicht mehr so gefragt. Dann zählen nur Resultate, womit wieder die Stunde der Leistungsträger schlägt.

Punker mit Profil Gerald Hörhan, 38, ist österreichischer Manager und Investor, studierte in Harvard, arbeitete als Investmentbanker bei JP Morgan Chase und als Berater bei McKinsey. Bekannt wurde er durch sein Buch „Investment Punk“. Jetzt erscheint die Streitschrift „Null Bock Komplott: Warum immer die Weicheier Karriere machen und wie ihr es trotzdem schafft“.



FOCUS-Magazin, Nr.45 (2013) / Wirtschaft






 

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