...über einen Büttenabend

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...über einen Büttenabend



Habe noch nie so viele senile Volltrottel auf einen Haufen gesehen.

 
Nein, ich war weder zu Besuch im Seniorenheim, noch auf einer vom hiesigen Heizdeckenhersteller gesponserten Kaffeefahrt. Ich war auf einem Büttenabend einer norddeutschen Karnevalsgesellschaft.
 
Da saß ich nun, gefangen zwischen Frankenstein’s mit Narrenkappe und Cindy’s aus Marzahn mit Pappnase, und fragte mich (noch), ob ich den Unmengen von Vorträgen lauschen könnte, ohne mir ständig vor Lachen in die Hose machen zu müssen.
 
Dann im Saal wurde mir schnell klar, dass es sich hier um eine verdeckte Jubiläumsfeier der Norddeutschen „Cosa Nostra“ handeln musste, denn hier kannte jeder jeden. Industrievorstände, Rechtsanwälte, Bankmanager, Politiker und Yuppies verschmolzen zu einem Beziehungskonglomerat.
 
19:11 Uhr. Der Abend wurde offiziell mit dem Einmarsch der Oberjecken in Richtung Bühne eingeleitet. Dies sah allerdings mehr nach einer Polonaise der Bewohner des hiesigen Altersheims in Begleitung ihres Altenpflegers auf LSD aus. Gleich hinterher eine Horde wildgewordener Wildecker Herzbuben, die anscheinend einen Altkleider-Sammelcontainer geplündert hatten. Wie man an den antiken Flinten erkennen konnte, mussten diese drolligen Gesellen die versprochene Garde gewesen sein. Was auch immer deren Sinn gewesen sein soll -ich habe ihn bis heute nicht verstanden.
 
Nachdem eine halbe Stunde vergangen war und ich höchstens über den versehentlichen, aber geruchslosen Furz meiner Tischnachbarin gelacht hatte, kam endlich der erste Vortrag. Sollte er ein Mega-Brüller werden? Etwa besser als Mario Barth, als Michael Mittermaier oder etwa Otto?? Der Vortrag stellte alles Erwartete in den Schatten. Der Saal kochte! Aber nicht vor Lachen. Das Dargebotene konnte in Sachen Unterhaltung in etwa mit der Zelle 65 im Hamburger Schwerverbrecherknast „Santa Fu“ gleichziehen. Nach 5 Minuten wurde der Saal unruhig. Aus den hinteren Reihen konnte man einen starken Teergeruch wahrnehmen und erkennen, wie die Innereien von eilig herbeigeholten Federbetten gesammelt wurden. Kurz bevor der Lynchmob seinen Dienst tat, beendete der Redner unter tosendem Geschimpfe und Gepfeife seinen geistigen Lambadatanz.
 
Es folgten diverse Tänze von Funkenmariechen und Gesangseinlagen, wie es im Musikantenstadel nicht hätte besser sein können. Leider hatten es Oliver Kalkofe und Dieter Bohlen verpasst, diesem Leckerbissen der Geschmacklosigkeit beizuwohnen und den Abend mit ihren drolligen Kommentaren aufzuwerten.

In der Zwischenzeit war der Mittachtziger links vor mir am Tisch im Sitzen eingeschlafen, was aber nicht weiter auffiel und als Mimikry durchging.
 
Dann die Ernennung des Ehren-Senators. Mit der Eleganz einer auf der Straße plattgefahrenen Katze wurde dieser von Jopi Heesters Vater mit monoton krächzender Stimme angekündigt. Welch Zufall, dass der Ehren-Senator einer der größten Geldgeber für den Karnevalsverein wurde und auch noch mit übelst schlechter Reimtechnik Werbung für die Nord LB machte.
 
Nach dieser kaum beachteten dadaistischen Grabesrede kam dann noch ein lustiger Vortrag. Es waren zwar alles Kalauer aus der Adenauer-Zeit, aber es war ungemein humorvoll Vorgetragen. So humorvoll, dass es mir den ein oder anderen Lacher herauslockte. Oder lag es daran, dass ich schon bei meinem 6sten Bier angelangt war?! Egal. Kaum hatte ich meinen ersten Lacher artikuliert, kam ich mir wie ein Fremdkörper vor. 1000 Augen starrten mich an. War ich tatsächlich der Einzige, der hier lachte? Alle anderen Gäste im Saal zogen es vor, bei ihrer versteinerten Mine zu bleiben. Fatalerweise war ich davon ausgegangen, daß ein Büttenabend etwas mit Humor, Lachen und guter Laune zu tun hat.

Dann folgte die Stalinorgel des peinlichen platten Humors: Die Okergirls
Um dieses Phänomen zu erklären: Männer als Damen verkleidet laufen unkoordiniert wie eine aufgeschreckte Bande junger Ferkel im roten Tüllröckchen über die Bühne und versuchen durch plumpes Hin- und Hergehopse witzig zu sein.
 
Mit den Nerven am Ende kam nun endlich das ersehnte Schlusslied, mit dem der Prinz sein Jeckenvolk aus der schier endlosen Unterhaltungsfolter in den Tanz- und Freßsaal entließ.
 
Vor dem Saal bot sich ein Bild, das ich bisher nur aus der Lasterhöhle von Hugh Hefner kannte. Zu jedem senilen End-Neunziger in Tracht gesellte sich amüsiert ein junges, gutaussehendes Schulmädchen in Karnevals-Trachtenkleidung. Vermutlich war die ein oder andere die Nichte dieser Zombieanwärter, aber die meisten waren anscheinend von der Sorte, die sich erhoffte, sich auf den Rang der Tambourmarie hochschlafen zu können.
 
Alles in allem habe ich an Erfahrung gewonnen. Nämlich die Gewissheit, dass der Mensch tatsächlich imstande ist, viel mehr zu ertragen, als er es selbst vermuten würde.
 
 
 
 Atze, 19.02.2012
 



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